Hätte mir jemand noch vor einem Jahr prophezeit, daß ich einmal einen wunderschönen Urlaubstag in dieser Stadt, in der ich so lange gewohnt habe, verbringen würde, ich hätte ihm nicht nur einen Vogel gezeigt sondern einen ganzen Wald voll.
Ausgerechnet Augsburg.
Und dann war es doch so schön heute!
Vor einem Monat bin ich bereits auf dem Weg nach Inningen kurz durch einige Straßen marschiert und habe mich gewundert, wie fremd mir alles geworden ist. Da habe ich den Entschluß gefaßt, bald einmal einen ganzen Tag durch die Stadt zu streifen und sie sozusagen neu kennenzulernen.
Zuerst in den Hofgarten, dort soll ein Bücherschank stehen hab ich gelesen. Und das ist richtig. Die meisten Bücher sind jetzt zwar nicht weiter der Rede wert, aber ich hab neulich schon ein sehr interessantes Buch rausgefischt und heute gleich drei.
Ich kenne den Hofgarten selbstverständlich von früher, aber daß er so schön ist ... irgendwie fand ich ihn früher urfad. Entweder also ist er nun viel schöner, oder ich war früher einfach ein Depp. Höchstwahrscheinlich beides ...
Viel lieber haben wir uns damals ja im Fronhof aufgehalten, damals allerdings nicht um die Natur zu genießen sondern ein Fläschchen Bier oder ähnliches.
Ein Bekannter meiner Eltern hat mich einst 'in desolatem Zustand' auf der Stufe unter jenem Denkmal sitzen sehen und dies natürlich brühwarm meinen Eltern berichtet. Ich wußte damals noch nicht einmal, was desolat eigentlich bedeutet und mußte erstmal im Fremdwörterbuch nachblättern.
Dieses Mal habe ich auch den Eingang zum Dom gefunden, es sind ja nicht alle Türen auf, man muß wissen welche. Dann klappt's auch mit der Andacht. Der Dom an sich gefällt mir jetzt nicht so supergut, ganz normale Kirche halt, etwas dunkel,
man geht hintenrum wie in Innsbruck und im Bogen wieder nach vorn, es findet sich auch das eine oder andere interessante Kunstwerk,
auch die Fenster sollen etwas sehr Außergewöhnliches sein höre ich,
aber so richtig interessant wird es erst hinten rechts: dort geht es dann in einen alten Kreuzgang, dort herrscht wirklich ein sehr interessantes feeling, an der Wand sind lauter Tafeln und so, wie am Rand vom Sebastiansfriedhof in Salzburg, das gibt Atmosphäre.
Eine durchmarschierende Frau hat mir auch gesagt wer da liegt, aber ich hab's vergessen, das Wort war mir völlig unbekannt. Ganz hohe Kirchenherren halt.
Das gab's ja früher nicht, daß man da reinkonnte, das wüßte ich. Sogar in den Innenhof darf man, dort sitzt man gar wunderhübsch neben einem plätschernden Brünnlein -
das heißt man säße, wenn nicht von draußen lauter Baustellenlärm herüberwehte. Also war's doch wieder nichts mit der Stille und der Einkehr, aber ich werde sicher ein andermal wiederkommen.
Dann hab ich noch einen wunderbar gruseligen Raum entdeckt, wie ich gerade lese nennt sich dies Krypta und ist der älteste Teil der Kirche, und genauso schaut er auch aus.
Richtig unheimlich. Während ich dort unten war begann oben ein Pfarrer eine Messe zu lesen, der Effekt war grandios. Die Stimme kam in der Krypta nur sehr verzerrt an und mit Hall-Effekt, man konnte sich völlig problemlos vorstellen, im Mittelalter zu sein und nicht unbedingt einem Gottesdienst zu lauschen sondern etwas ganz anderem, auf der Steinplatte ganz hinten hätte man ohne weiteres zumindest eine Ziege opfern können während hinter einem die Menge murmelt ...
Wenn ich nicht langsam dringend aufs Klo gemußt hätte, dann hätte ich mir das mit Genuß noch länger angehört, so aber zog ich weiter.
Mein nächstes Ziel war die Fuggerei, die älteste Sozialsiedlung der Welt, wo man auch heute noch um 1 Reichsgulden Miete pro Jahr (!) wohnen kann. Vorausgesetzt man ist arm, katholisch und echter Augsburger.
Auch dort fand ich alles total verändert vor. Klar, die gelben Häuser mit den Leuten drin waren nach wie vor dieselben, aber museumstechnisch ist nun dort viel mehr geboten.
Damals gab es bei der Kassa eine kleine Wohnung zu besichtigen wie sie früher einmal ausgesehen hatten, mit offener Feuerstelle, Bauernschrank und Brennholz in der Küche. Das war's, ansonsten konnte man halt durch die Siedlung gehen und fertig.
Wie habe ich gestaunt, daß es mittlerweile viel mehr zu sehen gibt. Dort wo sich die alte Schauwohnung befunden hatte wurde fleißig gebohrt, die Frau an der Kassa meinte, das meiste stünde ja noch unter Denkmalschutz, aber was nach dem Krieg dazugebaut worden war (wer die alten Fotos kennt der weiß, daß das eh viel ist), damit könnten sie sich austoben. Da freuen sich die Bewohner sicher sehr, das Gedröhne hörte man nicht nur in den anliegenden Wohnungen sondern auch noch in der Kirche, in der sie schließlich dreimal täglich beten sollten. Und in die man früher auch nicht hineinkonnte, mittlerweile jedoch ist sie der Öffentlichkeit zugänglich. Eine sehr nette kleine Kirche, leider ist die gesamte vordere Hälfte abgesperrt, was ich für gnadenlos übertrieben halte, es würde sicher langen den Altarraum abzusperren so wie woanders auch.
Bei der Kassa gibt's Plänchen, die sind mittlerweile auch notwendig, damit man alle Places of Interest auch findet, da sie nicht hintereinanderweg sondern durch die ganze Siedlung verstreut sind. Wie ich erfuhr wollte man, wegen des Denkmalschutzes und wohl auch so, keinen Schilderwald, daher eben das Plänchen zur Orientierung und an den jeweiligen Häusern sind natürlich außen Beschreibungen angebracht, so daß man sieht wo man hineinrumpelt und nicht aus Versehen bei jemandem klingelt - so verlockend die schönen alten Klingelzüge auch aussehen.
Es gibt mittlerweile zwei Schauwohnungen, die alte Wohnung, die sich nun weiter hinten in der Siedlung befindet,
und eine in der man sehen kann, wie die Wohnungen jetzt ausschauen.
Wobei ich zu bezweifeln wage, daß wirklich alle so ein feines Bad mit moderner Waschmaschine haben, und hinten raus dann auch noch ein Gärtchen. Das haben sie schon sehr euphemistisch dargestellt.
Weiters hat man im alten Luftschutzbunker eine Ausstellung über den Bombenhagel in Augsburg untergebracht, sehr eindrucksvoll, allerdings hätte man vielleicht, so wie im Foltermuseum in Wien, auch eine Ton-Simulation in einem der Räume einrichten können, dort wenn man drinsteht und sich das anhört kann man sich fast vorstellen wie es damals gewesen sein muß, als man voller Angst im Keller hockte und nicht wußte, ob man auch wieder lebendig rauskam. Hier in Augsburg hat man halt alte Dokumente und Material zusammengetragen, alles sehr fein, aber es fehlt der lebendige Touch. Die jungen Leute können das doch von einem Bericht allein nicht mehr nachvollziehen.
Auch einen kleinen Laden mit Restaurant findet man nun mitten zwischen den Häusern in der Nähe des Brunnens.
Hier kann man nicht nur ein Andenken an den Besuch in der Fuggerei kaufen oder Bild- und Tonmaterial um sich weiter zu informieren, sondern in dem angeschlossenen Biergarten sitzt es sich urgemütlich.
Man kann eine Kleinigkeit zu sich nehmen und hier auch gleich die im Laden erstandenen Postkarten schreiben. Es gibt kleine Gerichte wie Würstl oder Suppen, auch Kaffee und Kuchen gibt es soweit ich gesehen habe. In der Ecke saßen junge Leute beim Bier, ganz hinten ein älteres Ehepaar 'Jetzt mecker doch nicht gleich wieder, es hat doch keiner was gesagt!' und nebenan zwei Touristen die tapfer auf Deutsch bestellten. Wer gerne Leute beobachtet ist hier genau richtig ;-)
Ich hatte eine Karotten-Ingwer Suppe und ein Glas stilles Mineralwasser, beides wurde prompt und freundlich gebracht, allerdings kam die Suppe aus der Mikrowelle. Gut, dies ist kein Sternerestaurant sondern ein Ausflugskiosk, da muß es schnell gehen, dennoch kann man's mal erwähnen.
Als Location ist es einerseits durchaus zu empfehlen, so angenehm bin ich schon lange nicht mehr gesessen. Andererseits bleibt zu bedauern, daß sich die Bewohner der Fuggerei einen Besuch wohl nur selten leisten können und lediglich im Vorbeigehen auf die Speisentafel gucken können, was ich ein bissl krass finde. Nicht genug, daß ständig Touristen durch die Gassen laufen, nein, da baut man ihnen auch noch einen Biergarten mittenrein den sie selber nicht besuchen können weil sie kein Geld dazu haben. Um die Ecke steht eine Bank, dort saß eine alte Frau und löste ein Kreuzworträtsel. Wahrscheinlich hätte auch sie gerne ein Stück Kuchen dazu gegessen.
Insgesamt macht die Siedlung einen optisch sehr, sehr angenehmen Eindruck, es gibt Eckchen wo man still auf einer Bank sitzen kann, sich ausruhen und die Sonne genießen,
so gesehen haben die Leute hier sicher einen relativ angenehmen Lebensabend, auch wenn sie mit den Touristen leben müssen die hier tagtäglich durch die Gassen wandern. Die Glücklichen mit den kleinen Gärtchen sind sowieso fein raus, da können sie im Freien sitzen und sind doch mehr oder weniger für sich.
Viele werden wohl kaum mehr viel gehen können, man sieht nicht nur einen Rollator vor den Haustüren stehen.
Eine alte Frau öffnete ihre Eingangstüre als ich gerade vorbeiging, sie hatte ein Pflaster auf der Backe und blieb unsicher im Hausgang stehen, klammerte sich an ihren Rollator und schaute auf die Gasse hinaus. Für diese Leute ist es sicher sehr unangenehm, wenn ständig Fremde direkt vor ihrer Türe vorbeimarschieren - dennoch ist es sicher besser, sich auch im Alter noch eine eigene Wohnung leisten zu können, in einer wohnlich gestalteten Umgebung, als daß man in ein Altersheim zwangsverlegt wird und dort zwischen Dementen und Wahnsinnigen die ständig nach Pisse riechen dahinsiecht und mangels Ansprache (außer 'Na, haben wir heute schon Stuhl gehabt?') und optischer Reize langsam selber dement wird.
Dieser lustig gewandete Herr bietet bei Bedarf Führungen an.
Last but by no means least bin ich mit dem 32-er Bus zum Botanischen Garten rausgefahren.
Klein aber fein, so ist der Botanische Garten in Augsburg.
Obwohl, so klein erschien er mir gestern garnicht mehr, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Was auch an der Hitze gelegen haben mag - in der ich ja bereits seit einigen Stunden unterwegs gewesen war - da zieht es sich gern ein bissl.
Die Themengärten am Anfang erschienen mir viel attraktiver als früher, sind sie es wirklich oder bin ich lediglich älter geworden?
Durch den Apotheker- und Bauerngarten war ich rasch durch, die Blumenpracht weiter hinten habe ich ausgiebiger genossen, so kann man auch in Augsburg einmal unter Palmen umherwandeln.
Das Gewächshaus - wunderschön gestaltet mit dem kleinen Wasserfall im Hintergrund und zwei Seerosenteichen, einer innen mit riesigen Blättern auf denen im Märchen immer die kleinen Elfen über den See fahren, und einer davor mit riesigen Goldfischen drin. Allerdings habe ich die Mimosen vermißt. Das war für mich immer das Highlight gewesen: Im Gewächshaus die Mimosen ärgern! Naja, wahrscheinlich haben sie sich versteckt wie sie mich gesehen haben ...
Der Japangarten - ein Juwel. Die Augsburger haben den schönsten Japangarten den ich je gesehen habe, und ich kenn einige. Die meisten sind einfach total KLEIN. Da ist außer einer Statue oder zwei und ein paar alten Steinen absolut nix drin. Sogar der vielgerühmte Setagayapark in Wien kann meiner Meinung nach nicht mit dem Augsburger Japangarten mithalten. Teehaus hin oder her. Vor allem kann man hier auch überallhin und durch, da ist nix mit Absperrung und hier nicht und da nicht. Am schönsten ist es hier natürlich im Frühjahr wenn der Kirschbaum blüht.
Auf der Liegewiese hab ich mich gewundert - wo sind denn die ganzen Sessel hinverschwunden? Hier sind sonst immer die Leute gelegen und haben sich gesonnt, über die ganze Wiesenfläche verstreut, wie in Oberlaa. Aber heute - nix. Ein paar Meter weiter wußte ich warum: die hatten alle verfügbaren Sitzgelegenheiten um den Pavillon herum drapiert und auch zwischen den Rosen. Alles voller Sessel.
Es war ein Jazzabend geplant, richtig, hatte ich ganz vergessen gehabt. Es liefen auch schon einige Männchen rum und probierten die Anlage aus, so daß eine Zeitlang laute aber schöne Musik das Kindergeplärr vom Spielplatz her übertönte, was mich sehr gefreut hat.
Im Gastgarten hab ich mir ein Eis gekauft, wie immer, und hab mich auf einem versteckten Holzsessel in einem der anliegenden kleinen Gärtchen damit niedergelassen. Leider fand der Weps das Eis auch sehr lecker, so daß ich mit meinen klebrigen Händen nicht lange meine Ruhe hatte, also Flucht nach vorn ...
Hab mich dann weiter drüben unter eins der schattigen Pflanzendächer gelegt und hab ein bissl gelesen, hatte doch die neuen Bücher aus dem Hofgarten ... einfach herrlich!
Hier kann man es wirklich stundenlang aushalten - eigentlich wollte ich noch in den Zoo, dort war ich schon EWIG nicht mehr, aber das ist sich dann nicht mehr ausgegangen, der kommt dann das nächste Mal dran. Bin dann noch zum Stempflesee vor, früher bin ich immer zu Fuß von Inningen aus hierher vorbei in Richtung Botanischer Garten gelaufen, heute mal umgekehrt.
Aber natürlich nicht bis nach Inningen sondern nur bis zur Straßenbahn und dann ab an den Bahnhof, es war ja schon halb fünf.
Wer noch mehr Bilder von Augsburg und dem Botanischen Garten sehen will:
Augsburgfotos 24.07.15
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